Wir sind viele. Wir werden genau hinschauen. Wir organisieren zivilgesellschaftliches Monitoring im Asyl- und Fremdenrechtsbereich. Und wir hören nicht auf, bis das Kindeswohl entsprechend seinem Verfassungsrang auch tatsächlich beachtet wird.
Aktionswochen – Obsorge jetzt!
Nachdem unbegleitete geflüchtete Kinder in Österreich angekommen sind und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, werden sie zunächst in Einrichtungen des Bundes untergebracht, bevor sie in geeignete Jugendquartiere der Länder überstellt werden. Die Unterbringung in den Bundesbetreuungseinrichtungen sollte eigentlich nur wenige Tage, vielleicht einige wenige Wochen betragen. Leider dauert der Aufenthalt in diesen Unterkünften aber oft Monate.
Während dieser Zeit gibt es für sie keine Obsorge-berechtigte Person! Die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) ist lediglich Unterkunftgeber und vertritt die Kinder und Jugendlichen in den Asylverfahren. Obsorgeaufgaben können und dürfen sie aber nicht wahrnehmen. Obwohl die Gesetzeslage sehr eindeutig sicherstellt, dass es für alle Kinder in Österreich eine Obsorge-berchtigte Person braucht, weigern sich die Kinder- und Jugendhilfeträger tätig zu werden und fühlen sich, aus sehr unterschiedlichen Gründen – nicht zuständig.
Das Thema “Schnelle Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) durch die Kinder- und Jugendhilfe und Berücksichtigung des Kindeswohls im Asylverfahren” ist im Regierungsprogramm ÖVP/GRÜNE zu finden und “Obsorge ab Tag eins” ist eine zentrale Forderung der Kindeswohlkommission . Dennoch müssen geflüchtete Kinder nach wie vor Monate ohne rechtlichen Beistand auskommen.
Um die Situation für geflüchtete Kinder in Einrichtungen der Bundesbetreuung zu verbessern, führen wir seit dem Sommer 2023 Obsorge-Aktionswochen durch. Dabei verteilen wir Informationsmaterial (z.B. Informations-Videos) und bieten Rechtsberatungsgespräche zum Thema Obsorge an. Jene Kinder und Jugendliche, die sich für einen Antrag auf Obsorge entscheiden, unterstützen wir bei der Antragstellung und begleiten sie im Obsorgeverfahren.
Seit dem Sommer 2023 haben wir solche Aktionswochen in den Bundesbetreuungseinrichtungen Korneuburg, Mariabrunn und Traiskirchen durchgeführt. Im April wird das Angebot in den Einrichtungen Finkenstein und Steyregg fortgesetzt.
Insgesamt konnten die Rechtsberater:innen von Caritas, Diakonie, tralalobe und dem Projekt Integrationshaus über 70 Beratungen durchführen und über 35 Anträge bei den zuständigen Bezirksgerichten einbringen.
Absurd ist unserer Meinung nach die Verweigerung der BBU, uns Zutritt zu den Unterkünften zu gewähren. So müssen wir auf kreative Lösungen zurückgreifen, um das Angebot der Beratung und Unterstützung den geflüchteten Kindern zugänglich zu machen.
In Korneuburg mussten wir einen Camper-Van anmieten, um ihn als Büro zu verwenden. In Mariabrunn waren wir in einem Zelt vor-Ort und in Traiskirchen mussten wir eine Punsch-Hütte der Gemeinde umfunktionieren, um den Kindern und Jugendlichen über unser Angebot zu informieren.
Sehr unterschiedlich ist auch die Vorgehensweise der Bezirksgerichte. So wurden alle Anträge am Bezirksgericht Fünfhaus (zuständig für BBE Mariabrunn) innerhalb weniger Wochen positiv entschieden und die Obsorge an die MA11 übertragen. Die Bezirksgerichte Korneuburg und Baden lassen sich allerdings mit den Entscheidungen sehr viel Zeit, sodass die antragstellenden Kinder entweder volljährig werden oder in Landesgrundversorgungseinrichtungen verlegt werden. Anders kann man Verfahrensdauern von 8+ Monaten kaum erklären.
Kritisch sehen wir auch das Verhalten der zuständigen Kinder- und Jugendhilfen der Bezirksbehörden. Wir haben großes Verständnis für die enormen Belastungen und verstehen, dass zusätzliche Aufgaben durch Obsorgeanträge für geflüchtete Kinder die Arbeit der KJH noch weiter erschweren. Gleichzeitig akzeptieren wir aber nicht, dass geltende Gesetze nicht umgesetzt werden sollen – insbesondere da es sich um Kinder handelt.
Die ablehnenden Begründungen reichen von mangelnden Ressourcen, über nicht-Zuständigkeit der lokalen KJH, da die BBU GmBH auf dem (Hoheits-) Gebiet des Bundes operiere, bis hin zu Annahme, dass die BBU mit der Unterbringung bereits Obsorgeaufgaben wahrnehme. In gemeinsamen Gesprächen mit den KJHT konnte bisher kein Einverständnis hergestellt werden.
Unsere bisherigen Erfahrungen haben wir dem Volksanwalt Bernhard Achitz präsentiert, der mit der Situation der fehlenden Obsorge für unbegleitete minderjährige Geflüchtete vertraut ist. Wir sind schon sehr auf seine Reaktion gespannt und hoffen, dass sehr bald eine wegweisende Unterstützung für geflüchtete Kinder von Seiten der Volksanwaltschaft kommt.
In der Zwischenzeit werden wir weitere Aktionswochen durchführen, da wir der Meinung sind, dass auch alleinstehende geflüchtete Kinder in Österreich zu ihrem Recht kommen müssen.